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ARJUN
APPADURAI
Ricarda Oberbeck und Jettelina Schweigstill
1. Zur Person
Appadurai wurde 1949 in Bombay geboren. 1970 erlangte er seinen B.A. an der Brandeis University in Waltham (Massachusetts) und wechselte anschließend an die University of Chicago, wo er 1973 seine M.A.These in „Social Thought“ schrieb. Drei Jahre später promovierte er im gleichen Themenfeld.
Ab 1987 hatte er die Stelle als Professor der Anthropologie und beratender Kurator in der asiatischen Abteilung des Universitätsmuseums an der University of Pennsylvania inne. 1992 wurde er als Professor der Anthropologie an die University of Chicago berufen. Weitere Lehraufträge erhielt er u.a. an Universitäten in Europa (Paris), Lateinamerika und Indien. Aktuell ist Appadurai Professor für Medien, Kultur und Kommunikation an der University of New York.
Appadurai ist ein Vertreter der sozialen und kulturellen Anthropologie und auf die Themen Globalisierung und öffentliche Kultur spezialisiert. Weiterhin interessiert er sich für die interne Organisation und Beschaffenheit von Massenmedien. Außerdem führte er historische Studien staatlicher Politik unter der Einbeziehung quantitativer Daten durch.
Regional konzentriert er sich in seiner Forschung auf das Gebiet Südasiens. Dies spiegelt sich in seiner Feldforschung wider, die sich größtenteils auf Städte (u.a. Bombay und Delhi) und ländliche Gegenden Indiens beschränkt. Mehr Informationen dazu unter www.arjunappadurai.org/cv/
2.
Der Ethnologe
Wissenschaftliche
Aussagen I
Appadurai betrachtet lokale geographische Räume und kulturelle Gemeinschaften in seinen Theorien zur Migration und Globalisierung als von einander unabhängige Komponenten. Ins Zentrum seiner Arbeit rückt er die Fluidität von symbolischem und materiellem Leben, die Raum und Zeit überspannt. Appadurai formuliert in diesem Sinne Konzepte, die eine anthropologische Annäherung an Themenfelder der Moderne ermöglichen. Unter anderem stellt er fest, dass der Nationalstaat in einer Krise steckt, die bedingt ist durch die derzeitigen globalen Migrations- und Kommunikationsprozesse, die zur Enträumlichung von Identitäten führen. Appadurai verortet so Souveränität neu: losgelöst vom territorialen Herrschaftsgebiet des Nationalstaats in transnationalen Räumen. Er unterscheidet globale Strömungen, so genannte „Scapes“ (Räume / Felder), die er in fünf Dimensionen unterteilt: 1) Ethnoscapes (Personengruppen, die einen Wandel bedingen), 2) Technoscapes (Verbreitungsmuster von Technologien) 3) Financescapes (Verteilung von Kapital und Geldströmen), 4) Mediascapes (Verbreitung und Bildung von Informationen und Wissen) und 5) Ideoscapes (Ideologien von Staaten und Gegenideologien von Bewegungen). In „Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization“ stellt Appadurai anhand seiner gesammelten Aufsätze diese Thematik dar.
Wissenschaftliche Aussagen II
Die Auflösung nationalstaatlicher Grenzen, als Folge der Globalisierung, führt zur Verunsicherung der Identität lokaler und vorgestellter Gemeinschaften. Daraus können sich Hass, Ethnozide und Ideozide entwickeln. Appadurai untersucht zwei Formen von ethnisch motivierter Gewalt (ethnische Säuberungen und Selbstmordattentate) im Zeitalter der Globalisierung. Die Kehrseite der Globalisierung besteht in der Angst vor fremden Waren, Kulturen und Sprachen. Der Wunsch nach Aufrechterhaltung der Souveränität wird manifest. Kultur wird verstanden als letztes Feld, um Phantasien der Reinheit, der Authentizität, der Grenzen und der Sicherheit zu leben.
In diesem Zusammenhang kommt es zu einem Konflikt zwischen vertebralen und zellularen Strukturen. Vertebrale Systeme beinhalten, die von den klassischen Nationalstaaten gemeinsam akzeptierten Normen des Kriegs- und Völkerrechts. Parallel zur Globalisierung des Kapitalismus entstehen zellulare Systeme verschiedener koexistierender Machtzentren, zu denen Appadurai terroristische Netzwerke (z.B. Al-Quaida), aber auch Graßwurzelbewegungen gehören. All das beschreibt er in seiner Essaysammlung „The Fear Of Small Numbers: Essays On The Geography Of Anger“.
3. Methode
Appadurai ist ein Vertreter der historischen Anthropologie. Insbesondere beschäftigt er sich mit kolonialen Einflüssen in seinem Herkunftsland Indien. Seine Arbeit stützt sich auf literarische Quellen, aber auch auf die Feldforschungsarbeit in Südindien. Zudem ist seine Arbeit beeinflusst durch seinen eigenen transnationalen biographischen Hintergrund.
4. Einordnung zum Vergleich ( Gegenüber) anderen zeitgenössischen Ethnologen
Wie auch andere zeitgenössische Ethnologen (z.B. Comaroffs) beschäftigt sich Appadurai mit den Auswirkungen der Globalisierung und der kolonialen Vergangenheit. Außerdem untersucht Appadurai den globalen Konsum, mit dem sich auch andere Ethnologen (Graeber, Miller) verstärkt auseinander gesetzt haben.
Weiterhin befasst sich Appadurai, wie auch der postkoloniale Theoretiker Homi K. Bhabha, mit Kulturkontakten und kulturellen Mischungen. Beide stützen ihre Erklärungsansätze auf naturwissenschaftliche Fachbegriffe, wie Hybridität, Mimikry (Bhabha), Scapes und zelluläre versus vertebrale Strukturen (Appadurai). Zudem beziehen sie sich in ihren Theorien auf historische Ereignisse.
Doch während Bhabha Traditionalismus metaphorisch in einem Dritten Raum verortet und literarische Quellen heranzieht, stehen bei Appadurai globale Strömungen und transnationale Netzwerke im Vordergrund. Dazu nutzt er sozialwissenschaftliche Theorien (u.a. Anderson und Huntington) sowie Erkenntnisse aus der Feldforschung und eigene Erfahrungen.
5. Kritik
Leider geht Appadurai in seinen Werken nur am Rande auf seine empirischen Forschungen ein, wodurch die Quellenlage an manchen Stellen unklar ist. Weiterhin erscheinen einige seiner Formulierungen subjektiv und durch seine Biographie gefärbt und wirken daher weniger wissenschaftlich oder „sachlich“. Als Beispiel kann man seine Perspektive auf die amerikanische Kultur benennen.
6. Wichtige Veröffentlichungen
Arjun Appadurai: The Future as Cultural Fact: Essays on the Global Condition. Verso Books. 2013
Arjun Appadurai: Worship And Conflict Under Colonial Rule: A South Indian Case. Cambridge University Press, 2013.
Arjun Appadurai: Fear Of Small Numbers: An Essay On The Geography Of Anger.Duke University Press Books, 2006.
Arjun Appadurai: Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization. University of Minnesota Press, Minneapolis, 1996.
Arjun Appadurai: The Social Life Of Things: Commodities In Cultural Perspective.Cambridge University Press, 1988.
Weitere Buch- und Artikelveröffentlichungen finden sich auf der offiziellen Homepage Arjun Appadurais: http://www.arjunappadurai.org/publications/[Stand: 26.01.2015].
Quellen
Al-Zubaidi, Layla (1998): Arjun Appadurai.
http://www.indiana.edu/~wanthro/theory_pages/Appadurai.htm (Stand:
26.01.2015)
Appadurai, Arjun (2015): Arjun Appadurai.
http://www.arjunappadurai.org/ (Stand: 26.01.2015)
Appadurai,
Arjun (2006): Fear Of Small Numbers: An Essay On The Geography Of
Anger.Duke
University Press Books
Appadurai,
Arjun (1996): Modernity at Large. Cultural Dimensions of
Globalization. University of
Minnesota Press,
Minneapolis.
Macke, Carl Wilhelm (2009): In Bücher
Litmag
http://culturmag.de/rubriken/buecher/arjun-appadurai-die-geographie-des-zorns/4795(Stand:
09.02.2015)
Trubeck, Amy, B. (2011): Arjun Appadurai. In:
Gordon, Robert/Lyons, Andrew,P./Lyons, Harriet, D.Fifty Key
Anthropologist.
Bildquelle:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8c/ArjunAppadurai.jpg/300px-ArjunAppadurai.jpg
(Stand: 03.02.2015)5
Veröffentlicht am 10.02.2015 letzte Änderung am 3. 8. 2017